Verdichtung der Stadtquartiere – sozial, ökologisch, nachhaltig

Die öffentliche Auseinandersetzung um das angemessene Maß der baulichen Verdichtung der inneren Stadt hat in den letzten 5 Jahren an Breite und Schärfe deutlich zugenommen. Die „Klimanotlage“ und die Covid-Pandemie mit „homeoffice“ und Einschränkungen des öffentlichen Lebens wirken als Katalysatoren dieser Entwicklung. Das Bewusstsein für den Wert des Frei- und Grünraums in unseren Wohngebieten wurde in breiten Bevölkerungskreisen erheblich geschärft. Dabei geht es sowohl um den ökologischen und gesundheitlichen wie auch um den sozialen Nutzen dieser Flächen.

In der aufgeladenen aktuellen Debatte ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, dass bereits vor über 15 Jahren solche Auseinandersetzungen geführt worden. Es gab nicht nur die stadtweit bekannten Diskussionen um eine Teilbebauung des Mauerparks oder des Tempelhofer Feldes, sondern gerade im Prenzlauer Berg wurde um zahlreiche Wohnungsneubauvorhaben heftig gestritten. Erinnert sei an die Eigentumswohnungsanlagen südlich des Wasserturms, an den Thälmannpark oder auch an das große Wohnungsbauvorhaben entlang der Michelangelostraße. Es gab Bestrebungen, mittels sogenannten Block-B-Pläne die renditegesteuerte innere Bebauung der Gründerzeitblöcke im hochverdichteten Prenzlauer Berg zu unterbinden.

Es geht dabei um schwierige Grundfragen einer nachhaltig sozialen und ökologischen Stadtentwicklung, für die es keine einfachen Lösungen gibt. Auch wenn das Bevölkerungswachstum kein Naturereignis ist, die Wachstumsprognosen traditionell eine geringe Halbwertzeit haben und in Berlin derzeit der Zuzug stark zurückgeht, braucht Berlin m.E. auch in den kommenden Jahren Wohnungsneubau, und zwar öffentlichen und genossenschaftlichen Neubau von Wohnungen mit dauerhaft leistbaren Mieten für breite Schichten der Bevölkerung. – Dabei ist die Innenentwicklung der Stadt der Außenentwicklung aus sozialen, ökologischen und ökonomischen Gründen vorzuziehen. Aber diese zweifellos richtigen Grundsätze begründen für sich noch kein einziges Neubauvorhaben. Ebenso wenig wie die Proklamation der Klimanotlage und das Erfordernis des Schutzes der Stadtnatur ein „Neubauverbot“ begründen könnten.

Einfach nur mehr Wohnungen können das soziale Wohnungsproblem nicht lösen. Was bei einem Blick auf die in den letzten Jahren entstandenen hochpreisigen Wohnanlagen im Prenzlauer Berg und andernorts in der Stadt jedem klar sein sollte, wird von den Propagandisten der Interessen der Bauwirtschaft unbeirrt geleugnet. Sie propagieren unverdrossen: Bauen, Bauen, Bauen, obwohl die Fakten und die Logik dem entgegenstehen. Die Mieten im freifinanzierter privaten Wohnungsneubau sind für die große Mehrheit der Berliner*innen unbezahlbar hoch. Und selbst 10.000 hochsubvebtionierte Sozialwohnungen auf den Bucher Rieselfeldern werden den Mietpreisauftrieb in Prenzlauer Berg nicht Bremsen oder gar stoppen. Im Gegenteil! Sie fördern ohne Gegenmaßnahmen die soziale Verdrängung aus der Innenstadt.

Zur Bewältigung der sozialen Wohnungsfrage muss der spekulative Mietpreisauftrieb in den bestehenden Wohnquartieren gestoppt werden und der erforderliche Wohnungsneubau nachhaltig sozial sein, d.h. dauerhaft für breite Schichten der Bevölkerung leistbare Mieten haben.

Dabei ist der Erhalt der sozialen und ökologischen Qualität der Wohnanlagen des öffentlichen sozialen Wohnungsbaus vergangener Jahrzehnte ein wichtiger Beitrag für die soziale und ökologische Entwicklung der Gesamtstadt. Die Haushalte mit geringen Einkommen sollen gut wohnen, zu für sie leistbaren Mieten in allen Wohnlagen der Stadt. Deshalb ist die derzeit laufende Verdichtungswelle in Wohnanlagen des öffentlichen sozialen Wohnungsbaus der 50er bis 70er Jahre so problematisch. Die simple Denke in den Vorstandsetagen landeseigener Wohnungsunternehmen, bei Bauämtern und auch von Politikern, dass ja dort noch viel Platz für den kommunalen Wohnungsbau sei, ist städtebaulich, sozial und ökologisch falsch und inakzeptabel.

Vor dem Hintergrund einer Vielzahl von Konflikten in der Stadt um Verdichtungsvorhaben der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften hat der Landesparteitag der LINKEN im Juni 2020 sich zum Umgang mit derartigen Neubauvorhaben der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften in bestehenden Wohnquartieren sich klar positioniert. Unter anderem wurde darin festgehalten:

„Bei der nachträglichen Verdichtung von Wohnanlagen muss die Wohn- und Lebensqualität in den bestehenden Wohnungen und dem umliegenden Wohnquartier gesichert werden. Für die gesamte Wohnanlage, für die Mieter*innen im Bestand und im Neubau sowie für die Nachbarschaft sollte im Zuge der Verdichtung auch ein Mehrwert geschaffen werden.

Städtebauliche Konzepte aus der Errichtungszeit der Wohnanlagen sind zu bewahren und wo nötig respektvoll fortzuschreiben. Dabei sind die Außenanlagen als soziale Kommunikations- und Begegnungsräume der Nachbarschaft zu erhalten und zu qualifizieren.

Die zusätzliche Bebauung muss gute und gesunde Wohnverhältnisse in der Wohnanlage und im Kiez bewahren und den zukünftigen Anforderungen, die sich aus den Veränderungen von Klima und Umwelt ergeben, gerecht werden.

In den Anlagen sind Frei- und Grünflächen sowie insbesondere die Bestandsbäume so weit als möglich zu erhalten und zu qualifizieren. Bei einer zwingend erforderlichen baulichen Inanspruchnahme ist angemessener Ausgleich in der Anlage oder im direkten Nahbereich zu schaffen.“  Siehe HIER.

Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat dies im Juni 2021 ebenfalls in Form eines Positionspapier getan: „Nachverdichtungen bei kommunalen Wohnungsbaugesellschaften“.

Der kommunale Neubau ist und bleibt wichtig, jedoch zugleich verlangt eine soziale, ökologische und resiliente Stadtentwicklung einen achtsamen und nachhaltigen Umgang mit den bestehenden Wohnquartieren und deren Frei- und Grünflächen. Um gute Lösungen für heute und übermorgen zu finden, brauchen wir die Akzeptanz von Widersprüchen und Interessen, den respektvollen offenen Diskurs und die permanente Suche nach den besten Lösungen. Diese findet man nur gemeinsam in einem offenen und öffentlichen Diskurs. Die rot-rot-grüne Koalition hat den Anspruch proklamiert, dass Verwaltung und Politik bei großen Neubauvorhaben eine breite Bürgerbeteiligung gewährleisten und in transparenten Partizipationsverfahren mit der selbstbewussten Bürgergesellschaft auf Augenhöhe beraten und entscheiden. Dafür gab es neben guten Beispielen in der jetzt endenden Legislaturperiode aber auch eine Reihe von Vorhaben, bei denen die Partizipation erst nach viel Frust und Verwerfungen in Gang kam oder gänzlich scheiterte. Aber gerade bei schwierigen Verdichtungsvorhaben sind die Kenntnisse und Sichtweisen der Anwohner von herausragender Bedeutung für städtebaulich vernünftige Lösungen. Bürgerbeteiligung behindert nicht gute Bauvorhaben, sondern qualifiziert sie.

„Berliner Bündnis Nachhaltige Stadtentwicklung“ am 05.06.21

http://michelangelostrasse.org

https://grüner-kiez-pankow.de/

www.friedrichshainerinnenhoefe.wordpress.com

https://buergerinitiative-auf-dem-lichten-berg.de/web/die-initiative/

https://www.nachhaltigestadtentwicklung.berlin/